Hörspiel und Feature: Erinnerung an deutsche Opfer des Stalinismus
Fast 1.000 Menschen wurden in der DDR zwischen 1950 und 1953 durch den Geheimdienst NKWD verhaftet und zum Tode oder zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Die russische Stiftung „Die letzte Adresse“ erinnert mit Gedenktafeln an die Opfer des Stalinismus – nun zum ersten Mal auch in Deutschland.
August 1952. Ein Güterzug rollt von Potsdam nach Moskau. In einem Waggon mit zugenagelten Fenstern, getarnt als Postwagen, sitzen nackt vier Jungs aus Meuselwitz in Thüringen. Das Dach ist von der Sommersonne glühend heiß. Von den Wachleuten, deren Sprache sie nicht verstehen, bekommen sie nur Salzfisch aber kaum Wasser.
Nach dem Urteil des Sowjetischen Militärtribunals sind sie Mitglieder einer antisowjetischen terroristischen Gruppe. Sie werden nun heimlich zur Vollstreckung des Urteils nach Moskau gebracht – dem Tod durch Erschießen. Nur einer aus der Gruppe wird später begnadigt und kommt 1955 aus der Zwangsarbeit frei und geht nach Westdeutschland.
Verhörprotokolle und Gerichtsurteile werden in den 90er-Jahren für die Historiker zugänglich. Zersetzungstätigkeit gegen die sowjetischen Truppen, Terrorismus, Spionage, Konterrevolution, Sabotage lauteten die Standartanklagen. Die Namen der Verurteilten stehen jetzt in dem Sammelband ‚Erschossen in Moskau‘, das die internationale Gesellschaft ‚Memorial‘ und die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur in deutscher Sprache veröffentlicht hat.
2013 gründete der russische oppositionelle Sergei Parchomenko zusammen mit der Gesellschaft für Geschichte und Menschenrechte ‚Memorial‘ die Stiftung „Die Letzte Adresse“. Ähnlich wie die Stolpersteine in Deutschland werden kleinen Gedenktafeln aus Metall an die Wände des letzten Wohnhauses der Opfer angebracht. – Bereits über 800 Gedenktafeln in 48 Städten und Dörfern Russlands – trotz der Glorifizierung Stalins im heutigen Russland. Das Feature dokumentiert die Entstehung der ersten Gedenktafel in Deutschland.